Gasshuku (01/2005)

Also, erst mal war die Ankündigung, der Lehrgang werde physisch und psychisch jeden an seine Grenzen führen, sicher kein leeres Versprechen. Bereits bei der Ankunft im Dojo gab es eine Überraschung: Sowohl sprechen als auch lachen waren für den Anfang verboten. Wer sich also auf ein nettes Plaudern und Beisammensein gefreut hatte, hat wohl den Informationszettel nicht richtig gelesen. Während wir uns alle schweigend umgezogen haben, herrschte also eine erwartungsvolle und angespannte Stille. Der Lehrgang begann mit Za-Zen, also einer Meditationseinheit. Es bekamen alle die Anweisung, sich im Dojo an den Wänden entlang vor einem Meditationskissen aufzustellen. Die Meditation hat nicht unser Trainer Dirk, sondern André (nicht unser André) geleitet. Zuerst wurde der Sitz erklärt: Halblotus mit dem Gesicht zur Wand und offenen Augen. So haben wir dann ca. 2 mal 30 min gesessen. Für die, die Meditation so nicht kannten und den Sitz natürlich nicht gewohnt waren, war diese Haltung mit der Zeit etwas schmerzhaft - gleichzeitig war mit offenen Augen zu meditieren eine neue interessante Erfahrung. Man soll nur das wahrnehmen, was ist und alle Gedanken, die einem kommen, an sich vorbeiziehen lassen. Nach dieser Einheit haben wir unsere Beine mit den Händen mühsam wieder auseinandergefaltet und sind dann mit einer bestimmten Atemtechnik langsam im Kreis gelaufen. Dabei haben wir die Meditation fortgesetzt, bis jeder wieder vor seinem Kissen stand. Dann wurde noch mal ca. 30 min. wie vorher meditiert. In dieser Zeit wurde etwas vorgelesen über den Sinn von Za-Zen und Karate und ihre Gemeinsamkeiten. Danach wurde immer noch nicht gesprochen oder gegessen, sondern nur kurz etwas getrunken. Die nächste Aufgabe war, 100 mal die Heian sandan zu laufen, wobei Dirk mit einer Klangschale signalisiert hat, ob mit Kime oder langsamer. Nach den Hundert sind wir die Kata dann noch einmal so schnell und so stark wie möglich gelaufen. Das war richtig gut am Ende (in der Mitte weniger...). Die Anfänger durften dann raus und auch wieder reden. Die Mittelstufe ist drinnen geblieben und ist alle Katas von der ersten bis zur siebten durchgelaufen. Das gab am Anfang eine ziemliche Verwirrung, weil man ja vorher so lange die Heian sandan gelaufen ist. Dann konnte die Mittelstufe endlich auch reden und etwas essen (was zu Teil keine so gute Idee wegen der nächsten Übung war). Die meisten dachten, der Trainingsanzug und Schal, Handschuhe und Mütze, die wir mitbringen sollten, wären für draußen gedacht (Dirk meinte, er wolle nicht, dass wir uns erkälten. Hahaha, bei so viel Fürsorge hätte man doch misstrauisch werden müssen!). Wir mussten das Ganze natürlich drinnen anziehen, Karate- und Trainingsanzug übereinander (Reihenfolge egal). Wir waren ein ziemlich bunter Haufen (siehe Gruppenfoto). Die nächste Trainingseinheit war dann ein verdammt hartes Training mit dieser Winterausstattung, was man vor allem beim Aufwärmen in den Gesichter sehen konnte. Die Heizung war natürlich auch voll aufgedreht. Wir wurden in zwei Gruppen aufgeteilt und die, die am härtesten trainiert hat, hatte 3 min Pause, durfte aber nichts ausziehen und nichts trinken. Der Wechsel ging dann am Ende so schnell, dass wir nicht mal mehr ab- und angrüßen durften. Später dann durfte die bessere Gruppe immer ein Kleidungsstück ausziehen, während die andere Steine stemmen musste. Danach haben wir uns erstmal die klitschnass geschwitzten Klamotten ausgezogen und dann weiter trainiert. 200 Liegestütze auf den Fäusten, 200 Situps und dann abwechselnd lockeres Freikampftraining und Steine stemmen. In der nächsten Einheit sind wir dann raus gegangen (Anfänger mit Schuhen, Mittelstufe natürlich ohne!) und bis hinter das Hildegard von Bingen Gymnasium auf einen Spielplatz gelaufen. Dort angekommen mussten doch alle die Schuhe ausziehen. Dann haben wir Fallübungen gemacht in Schlammpfützen, die so schweinekalt waren, dass man nach kurzem intensiven Schmerz seine Füße gar nicht mehr gespürt hat (eine Erleichterung auf dem Rückweg). Manche haben sich auch um die Pfützen gedrückt, indem sie sich einfach nicht haben werfen lassen! Abgesehen von den paar Ausnahmen erkennt man Lehrgangsteilnehmer jetzt also an den braun weiß gefleckten Gürteln. Nachdem wir zurück im Dojo waren, haben wir noch mal meditiert (nass und dreckig) und über den ganzen Lehrgang nachgedacht: Was wir erlebt (und überlebt haben) und was wir von diesen Erlebnissen mitnehmen und lernen können. Erst musste das ganze Dojo natürlich noch geschrubbt werden, aber dann ging's schnell nach Hause zum umziehen und ab zu Renates Geburtstagsparty! Dort konnte dann bei zunehmend alkoholischen Getränken der Lehrgang diskutiert und die Wunden geleckt werden. Diese Party war ein perfekter Abschluss für diesen aufregenden Tag.

Laura Ostermann,

18 Jahre, Schülerin