Selbstüberwindungstraining (01/2007)

Erfahrungsbericht über das Selbstüberwindungstraining Beim Selbstüberwindungstraining oder Härtetraining geht es um die Auseinandersetzung mit Schmerzen und das Kennen lernen und Überwinden eigener Grenzen. Das Training begann schon am Vorabend mit dem Aufbauen der Kieswannen und Aufhängen der Bretter. So konnten wir uns am Samstag direkt auf uns konzentrieren und mussten uns um nichts mehr kümmern. Zu aller erst wurde ein Foto von allen Teilnehmern gemacht. Mein Lächeln war sehr gequält und meine Gedanken setzen sich mit Angst vor dem Unbekannten, aber auch mit Freude auf die neue Erfahrung auseinander. Nach dem normalen Angrüßen wie bei jedem Training wurde es dann schon schnell anders. Wir gingen alle in Seiken. Das heißt wir stellten uns in Liegestütz auf die Fäuste. Dies wird gemacht, damit das Blut aus den Fäusten fließt und die Schwellungen in den Fäusten nicht schlimmer werden als nötig. So standen wir dann etwa 10-15 Minuten. Das sonst übliche Stöhnen nach ein paar Minuten blieb diesmal aus. Ich glaube wir lenkten uns durch die Gedanken an das was noch kommen sollte ab. Und dann ging es auch schon los. Wir stellten uns vor die Kieswannen die etwa zur Hälfte mit Kies gefüllt waren. Jeder sollte 50 Schläge hinein machen. Mein erster Schlag war noch stark und kraftvoll. Doch schon direkt danach spürte ich wie der Schmerz mich wie ein Blitz durchfuhr. Die Lust den nächsten Schlag hinterher zu machen war direkt verflogen. Aber ich hatte mich ja nicht angemeldet um nur einen Schlag zu machen. Also weiter und versuchen jeden Schlag vernünftig zu machen. Nach etwa 20 Schlägen waren die Knöchel der Ringfinger und des kleinen Fingers blutig. Durch die Mulde im Kies wurden sie als erstes abgerieben. Das heftige Brennen das sofort dazu kam war die zweite Hürde die ich überwinden musste. Jetzt ließ die Kraft auch schon merklich nach und die Schläge wurden schwächer. Ich versuchte noch einmal in die letzen zehn Schläge alles hinein zu legen, als es auch schon hieß Kies abschütteln, beziehungsweise am Anzug abwischen und wieder Seiken stehen. Wir standen etwa eine Minute, bevor wir uns wieder vor den Wannen positionierten und 20 Schläge hinein schlugen. Von diesen 20er Blöcken gab es insgesamt zehn Stück. Jedes mal musste ich mich aufs Neue überwinden alles in die Schläge hineinzulegen was ich an Kraft besass um meine Fäuste mit aller Macht durch den Kies zu schlagen. Nach und nach ließ die Kondition nach und die zu überwindende Schwelle wurde immer größer. Doch es gab auch Momente wo es Spaß machte. Wie im Flug schlug ich einfach in die Mulde aus Kies als wäre das wo ich hinein schlage aus Schaumstoff. Das Seikenstehen wurde nach und nach immer mehr zur Erholung. Oder wie John nach dem Training so schön sagte: ‚Seiken wird irgendwann belanglos’. Aber es kamen beim Stehen auch Gefühle die sich während des Schlagens gelöst hatten in mir hoch. So blieb ich manchmal in Rage und manchmal wurde ich auch wieder ruhig. Bloß der erste Moment wenn man sich Seiken stellt ist sehr schmerzhaft. Gerade dann wenn die Fäuste offen sind. Nach dieser Einheit mit der Kieswanne ging es für uns an die Bretter. Beim Schlagen gegen das schwingende Brett schlägt man das Brett weg und fängt dann mit derselben Faust den Schwung wieder auf um dann wieder mit der anderen Faust zu schlagen. Vier Leute mussten sich an zwei schwingenden Brettern abwechseln wobei sie jeweils eine Seite für sich hatten. Die anderen hatten starre Bretter an den Wänden. Ich teilte mir mit Navid ein schwingendes Brett. Die Übung war ähnlich aufgebaut wie an der Kieswanne aber wir machten nur 10 Schläge gegen das Brett. Ich ging direkt ans Brett und versuchte vor diesem wieder neue Kraft zu schöpfen. Dann der erste Schlag und ein ganz anderer Schmerz durchdrang meinen Körper und meinen Geist. Nicht das Brennen der Haut und das Eindringen von kleinen Kieseln, sondern ein großer dumpfer Schmerz der in der ganzen Faust zu spüren war. Nach drei kraftvollen Schlägen war der Schmerz so groß das sich mein Körper und mein Geist wanden und ich nicht mehr schlagen wollte. Genau in diesen Momenten versuchte ich meine ganze Kraft und meinen Ganzen Geist hinter die Technik zu setzen. Aber dann war der Schlag nur halbherzig und dem entsprechend rutschte ich mit der Faust auf dem Blut hin und her oder traf mit der falschen Stelle auf. So tat ich mir meist viel mehr weh als wenn ich normal geschlagen hätte. Deshalb versuchte ich mich immer wieder auf das zu besinnen was mein Ziel war eine gute Technik gegen das Brett zu schlagen die mit Kraft und Geist durchdrungen war. Von diesen zehner Folgen machten wir insgesamt sechs. Nach und nach drang ich immer tiefer in diese Gefühlswelt aus Schmerz, Überwindung und Hochgefühl ein. Direkt im Anschluss kam die nächste Übung. Nun sollten wir immer abwechselnd 20 Schläge in die Kieswanne und dann 10 Schläge gegen das Brett machen. Wen dann die Kraft ganz verlassen hatte, sollte wieder Seiken stehen. Die meisten Male machte ich nur einmal Kieswanne und Brett abwechselnd da ich danach keine Power mehr hatte. Jedoch war ich zweimal gerade so in Fahrt, dass ich direkt mehr machte und direkt noch mal an die Kieswanne ging. Es gab auch Momente wo ich wegen Navid auf das Brett warten musste. Diese Zeit verbrachte ich dann im Seiken mit Blick auf das Brett. Ein Schlüsselerlebnis für mich war die Situation als ich aus dem Seiken ans Brett kam und die Spuren aus den letzten Runden sah. Auf einmal war ich ganz nüchtern und ruhig. Ich sah einen großen roten Blutfleck in der Mitte und drum herum überall Spritzer. Daraufhin schaute ich an meinen Armen lang und sah auch dort überall Blutspritzer. Als ich dann hinunter schaute und an meinen Oberschenkeln hängen blieb, die auch komplett rot waren durch das Abputzen vom Kies, kroch so langsam die Frage in mir hoch, was ich denn hier machte. Ich kam zu dem Schluss, dass ich das alles selber wollte und ich meine Gefühle kennen lernen wollte. Nach diesem kurzen Zögern begann ich wieder meine zehn Schläge zu machen. Nach den sechs Einheiten sagte uns Dirk, dass dies jetzt unsere letzte Runde sei und wir noch einmal an jedes Station heran durften. Wir sollten uns jeder für sich eine Zahl überlegen und vornehmen die wir dann noch einmal mit allem was unser Körper und Geist hergab schlagen sollten. Die maximale Grenze setzte er auf zweihundert. Ich überlegte daraufhin wie viel ich nehmen sollte. Kurzzeitig dachte ich an zweihundert. Aber das verwarf ich dann schnell wieder. Dann dachte ich an fünfzig und auch an einhundert. Ich schwankte kurzzeitig zwischen den beiden Werten und entschied mich schließlich für die Hundert. Kurz bevor wir begannen sagte uns Dirk, dass auch er sich für die Hundert entschieden hatte. Ich begann wieder an der Kieswanne. Aber schon nach 20 Schlägen konnte ich schon gar nicht mehr. Ich rappelte mich auf und versuchte noch einmal unter großem Schreien alle Kraft hinein zu legen. Ich hatte mir vorgenommen diese letzte Runde alles zu geben und jeden Schlag richtig zu machen. Natürlich gelang mir das nicht. Nach der Kieswanne war ich so aufgepuscht dass ich fast vergas meine Hände vom Kies zu befreien. Ich baute mich vor dem Brett auf und begann direkt mir dem Schlagen. Jeden Fauststoß versuchte ich mit all meiner Kraft zu machen, da ich ja wusste das ist das letzte was ich schlage an dem Tag. Bis auf ein paar Stück die ich vor lauter Schmerzen nur halbherzig auf das Brett brachte, wurde ich durch jeden Schlag immer euphorischer. Zwischendurch sah ich wie Navid auf das Brett wartete. Aber ich dachte mir nur innerlich, dass ich noch nicht fertig bin und er noch nicht dran ist. Dann gab ich noch mehr Kraft in die Techniken. Als ich fertig war stellte ich mich noch kurz in Seiken hin. Die Schmerzen als ich meine Fäuste belastete erfüllten direkt meinen ganzen Körper. Als diese verklungen waren schaute ich mich ein bisschen um und sah, dass fast alle schon in Saiza saßen. Ich setzte mich vor mein Brett und schloss die Augen während Navid noch gegen das schwingende Brett schlug. Als auch er sich hinsetze und die Augen geschlossen hatte rief Dirk ‚Mokusô’ (Das Kommando für die Meditation). Wir versuchten wieder ruhig und still zu werden. Mittendrin sollten wir dann unsere Fäuste öffnen. Wir hatten sie die ganze Zeit geschlossen gehalten damit kein Blut hinein lief. Als ich die Spannung aus den Fäusten ließ öffneten sie sich nur ein bisschen. Ich nutzte meine Beine um die Finger unter Schmerzen gerade zu drücken. Irgendwann sagte Dirk dann ‚Jame’ und das Training war vorbei. Wir standen alle langsam auf und schauten uns gegenseitig an. Ich begutachtete mein Brett und die Bretter der anderen. Anschließend machten wir noch ein Gruppenfoto. Jetzt lachte ich direkt aus mir heraus. Wir räumten noch alles auf und saugten den Kies zusammen. Als ich ein paar Teilnehmer nach ihren Erfahrungen über das Härtetraining fragte kamen folgende Kommentare: Alex: „Die Kieswanne war geil!“ Navid: „Ich habe das alles noch gar nicht verarbeitet.“ Dirk: „Beim nächsten mal bin ich wieder dabei!“ Fabio: „Schreib was!“ (genervt von meiner Frage)“ John: „Seiken wird irgendwann belanglos!“ Wenn ich selber zurück denke dann bin ich stolz wie ich das Training gemacht habe. Ich bin von der Gruppe begeistert dass alle so gut mitgemacht haben und ich muss mich bei Dirk bedanken dass er mir das Erlebnis ermöglicht hat. In den folgenden Trainingseinheiten musste ich dann feststellen, das Härtetraining ist noch nicht vorbei. Jede kleine Berührung mit den frischen Wunden an den Knöcheln lässt einen zusammenzucken. Die Überwindung sich wieder in Seiken hin zu stellen ist riesengroß. Und oft fangen die Wunden dabei erneut an zu Bluten. Trotzdem habe ich bis jetzt keine Sekunde bereut an diesem außergewöhnlichen Training teilgenommen zu haben.